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Seit Menschen aus den verschiedensten Gründen auf Berge steigen, gibt es dabei auch Unfälle. Und seit jeher leisteten dabei in der Regel die Begleiter oder auch zufällige Beobachter Hilfe und Rettung. Der erste überlieferte Bericht einer von Salinenarbeitern organisierten Bergrettung in unserem Gebiet, die zudem erfolgreich war, stammt vom Sommer 1845. Sie hatten auf Hilferufe eines in der Gurrwand Verstiegenen reagiert. Das „Wochenblatt für die königl. Landgerichte Berchtesgaden, Laufen und Reichenhall“ berichtete darüber am 15. August 1845.
Die Organisation einer Bergung benötigte immer schon einen großen Zeitaufwand. War dies anfangs eher dem Zufall überlassen, so konnte es erst nach der Gründung von alpinen Organisationen (Alpenverein, Touristenclubs, Naturfreunde usw.) etwa ab dem Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhundert zur Regel und bei uns auch zunehmend zum Anspruch werden. Ziel konnte nicht mehr nur die Bergung von Toten sein, sondern die Verhütung von Unfällen und ggf. die rechtzeitige Bergung von Verunglückten. Das „alpine Notsignal“ wurde 1894 auf Vorschlag des englischen Bergsteigers C. Dent eingeführt.
Von „organisierter“ Bergrettung sprechen wir, wenn diese von am Unfall unbeteiligten Personen gezielt ausgeführt wird. Allerdings zeigte sich dabei rasch, dass dies bei zunehmender Häufigkeit nicht mehr unentgeltlich aus reiner Hilfsbereitschaft erfolgen konnte, sondern die eingesetzten Hilfskräfte (anfangs waren es meist die zur Hilfeleistung verpflichteten, meist vom Alpenverein autorisierten Bergführer) einer finanziellen Entschädigung bedurften. Und auch das benötigte Material musste zuvor beschafft und vorgehalten werden.

Als Geburtsstunde des organisierten alpinen Rettungswesens gilt der 8. März 1896. Damals wartete der Wiener Alpinist Heinrich Pfannl vergeblich auf die Rückkehr seines Bruders Josef von einer Bergtour am Reistaler-Steig in den Raxmäuern auf der Rax. Am Folgetag organisierte er mit ortskundigen Einheimischen eine Suchaktion. Die Aktion kam jedoch erst nach weiteren Tagen in Gang, dann wurden der Vermisste und mit ihm seine beiden Begleiter tot nach einem Wächtenbruch mit folgendem Absturz und Lawinen-Verschüttung aufgefunden. Die mehrtägige Suchaktion und das Fehlen einer ständigen Einrichtung zur Hilfeleistung erregten in alpinen Kreisen Aufsehen. Die Kosten wurden von der Sektion Reichenau erstattet. Als Konsequenz aus diesem Unfall forderte in der nachfolgenden Wochenversammlung der Alpenvereinssektion Reichenau Theodor Reidel die Gründung einer alpinen Rettungsgesellschaft. Und auch der Österreichische Touristenclub befasste sich noch im April 1896 mit dieser Frage. Es wurde rasch klar, dass ein solches Vorhaben nur durch Zusammenarbeit aller alpinen Vereine (ÖAV, DuOeAV, ÖTK) verwirklicht werden konnte. Bereits am 22. Mai 1896 wurde das „Alpine Rettungscomité Wien“ errichtet, zu dem sich noch im gleichen Jahr sog. Lokalstellen in Reichenau, Schneebergdörfl, Lunz am See, Mürzzuschlag und Admont gründeten. Im Folgejahr 1897 erfolgte die Namensänderung in „Alpiner Rettungsausschuss Wien (ARAW)“.
Nach o.g. Unfall  stellte die Sektion Reichenau bereits im März 1896 an den Central-Ausschuss des DuOeAV den Antrag auf Gründung eines Fonds zur Erstattung von Rettungskosten. Allerdings wurden im Mai 1896 im Rundschreiben an die Sektionen nur allgemeine Anregungen und Empfehlungen gegeben, die Regelung in den einzelnen Gebieten wurden den lokalen Verhältnissen überlassen. Die Kosten für die Rettungsmittel konnten jedoch dem Central-Ausschuss des DuOeAV in Rechnung gestellt werden, „falls diese nicht anderweitig gedeckt werden können“.

In den Folgejahren kam es zur Gründung von lokalen Rettungsgesellschaften nach dem Vorbild Wiens, allerdings jede mit einer eigenen Satzung und unterschiedlich organisiert, vorwiegend jedoch zentralistisch (Ausnahme z.B. Salzburg):

1896    Alpines Rettungscomité Wien (ab 1897 „Alpiner Rettungsausschuss Wien“) für Wiener Ausflugsgebiet, Schneeberg, Raxalpe, Hochschwab, Ennstaler Berge
1898    Alpine Rettungsgesellschaft Innsbruck für ganzes Gebiet der deutschen und österreichischen Alpen
1898    Alpine Rettungsgesellschaft München für Wetterstein, vordere Karwendelkette, Kaisergebirge und nördliche Vorlagen dieser Gruppen („zwischen Lech und Saalach“)
1901 Alpine Rettungsgesellschaft Salzburg für Osttirol, Chiemgau, Berchtesgadener Gruppe, Salzburg und Salzkammergut
1902    Alpiner Rettungsausschuss Graz

Die Alpine Rettungsgesellschaft Salzburg war im Gegensatz zu den anderen insbesondere unter dem Einfluss der Alpenvereinssektionen von Salzburg (Zeppezauer) und Reichenhall (Hosseus) dezentral organisiert.
Die Alpenvereinssektion Reichenhall gründet und organisiert

am 26. März 1902 die „Alpine Rettungsstation Reichenhall“

im Anschluss an die Alpine Rettungsgesellschaft Salzburg,

Obmann ist der 1. Vorsitzende der Alpenvereinssektion

 


Reichenhall, Ludwig Hosseus (*01.12.1846  +22.11.1905).

Die Generalversammlung des DuOeAV beschließt im September 1902 in Wiesbaden die Organisation des alpinen Rettungswesens durch den Gesamtverein, die Diskussionen hierzu hatten bereits auf der Generalversammlung in Meran im September 1901 begonnen.
Damit wurden die alpinen Rettungsgesellschaften überflüssig, die Salzburger Gesellschaft löste sich am 15. Juni 1903 auf. Die dezentrale Organisationsform Salzburgs wurde in die neue Struktur übernommen. Die alpinen Rettungsstationen der Rettungsgesellschaften werden übergeführt in alpine Rettungsstellen der jeweiligen Alpenvereinssektionen, die Neuorganisation des Rettungswesen in den Ostalpen wird in Reichenhall am 3. September 1903 im „Reichenhaller Grenzboten“ veröffentlicht.
Obmann der „alpinen Rettungsstelle Reichenhall der Alpenvereinssektion Reichenhall“ ist Ludwig Hosseus, der 1. Vorsitzende der Alpenvereinssektion Reichenhall, seine Stellvertreter sind Oberstleutnant Reck, der Maler Jungbecker und der Maler Welcker. Die Geschichte der Bergrettung wird in Reichenhall zur Geschichte der alpinen Vereinigungen, nämlich des örtlichen Alpenvereins und in Reichenhall ab 1920 in Zusammenarbeit auch der Naturfreunde. Am 29. März 1933 werden vom bayerischen Staatsministerium des Innern „marxistische Organisationen wie z.B. Radfahrerbund Solidarität, Naturfreunde usw.“ verboten. Um in der Bergrettung in Reichenhall weiter aktiv sein zu können, müssen sie aus den Naturfreunden aus- und dem Alpenverein beitreten (seit 12/1938 Sektion „Bad“ Reichenhall).

Die Obmänner der Rettungsstelle werden bis 1945 vom 1. Vorsitzenden der Alpenvereinssektion jeweils ernannt (3/1902 – 5/1905 Ludwig Hosseus, 6/1905 – 1934 Hugo Zellner, ab 1/1935 Ludwig Kamml), 11/1940 wird die Alpine Rettungsstelle der Alpenvereinssektion Reichenhall (wie auch in Berchtesgaden) im Vollzug der politischen Gleichschaltung zwangsweise zur „Ortsstelle Bad Reichenhall der Deutschen Bergwacht im DAV“, Obmann ist Hermann Mühlböck 11/1940 – 10/1945.
Das Material wurde anfangs beim jeweiligen Obmann eingelagert, später im Gasthof Pfaffenberger, die meisten Bergwachtmänner wohnten ohnehin am oder in Nähe des Florianiplatzes.  Ab Juni 1935 war der Geräteraum in einer von der Stadt Bad Reichenhall kostenlos überlassenen ehemaligen Trafostation am Florianiplatz.

Das Kriegsende 1918 mit folgender Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsschwäche und politischer Instabilität brachte nach Meinung von Friedrich Berger, einem Verwaltungsangestellten in München und Mitglied der AV-Sektion Bayerland,  nicht nur im flachen Land, sondern auch in den Bergen Auswüchse „übelster Art“ mit sich. „Die Berichte über Hütteneinbrüche und Radauszenen, Übergriffe und  Anpöbeleien wollten kein Ende nehmen. Auch die alpine Flora musste daran glauben, jedermann pflückte Blumen, teilweise in großen Mengen um sie zu verkaufen. Alles hat geschimpft, aber keiner hat etwas getan“.   

       
1919 verfasste er eine „Denkschrift über die Art und Weise, wie man durch Selbsthilfe den Umtrieben in den Bergen gegensteuern“ könnte. Darin erschien erstmals der Name „Bergwacht“. Im Februar 1920 fand im Hofbräuhaus München eine Versammlung statt, zu der neben dem Alpenverein sämtliche, den Bergen verbundene Vereine gekommen waren. Die Gedanken Bergers wurde dabei begeistert aufgenommen, und bei einer zweiten Versammlung schließlich die „Bergwacht“ gegründet. Ziel war „Schutz der Berge vor den Menschen“, Naturschutz und Ordnungsdienst in den Bergen standen an erster Stelle. Nachdem Mitglieder der Bergwachtgruppe im September 1920 bei einem schweren Bergunfall an der Herzogstand-Nordwand dem Verunglückten Hilfe leisten konnten, führte dies zur Einführung der Sanitätsausbildung und eines alpinen Rettungsdienstes als neue zusätzliche Aufgabe der Bergwacht – parallel bzw. zusätzlich zu den bereits bestehenden Alpinen Rettungsstellen des Alpenvereins. Die Bergwacht inspizierte bald auch Münchner Blumenläden nach Edelweiß und Enzianblüten, half ab 1922 in München der Reichsbahn bei der „Aufrechterhaltung der Ordnung in den Zügen und auf den Stationen“.
Im Mai 1924 erfolgte die Gründung einer Bergwachtabteilung Chiemgau durch die AV-Sektionen aus Berchtesgaden, Reichenhall, Traunstein, Neuötting, Burghausen, Prien-Aschau und Laufen, außerdem durch die Naturfreunde Berchtesgaden. Als Aufgaben der Bergwacht wurden genannt: Pflanzenschutz, alpines Rettungswesen und alpine Sitten in den Bergen. Den Vereinen aus Berchtesgaden und Reichenhall wurden Sonderstellungen eingeräumt, indem diese ihr Gebiet selbst betreuen konnten – allerdings schickte die Bergwacht trotzdem ihre auswärtigen Gruppen zu Kontrollgängen, wie bei der Mitgliederversammlung im Oktober 1924 dargelegt wurde. Durch den plötzlichen Wechsel der Abordnung aus Reichenhall nach Weggang des AV-Vorsitzenden Lossen überblickten die Teilnehmer aus Reichenhall nicht mehr die Tragweite einer Zustimmung zu Kontrollgängen auswärtiger Bergwachtgruppen im Reichenhaller Gebiet. Nach der Neuwahl eines neuen AV-Vorsitzenden (Moreth) erschien im November 1925 bei der Hauptversammlung der Bergwachtabteilung Chiemgau bereits kein Vertreter mehr aus Reichenhall. Im Zeitungsbericht des „Reichenhaller Grenzbotens“ vom 23. Januar 1926 über die Jahreshauptversammlung des Alpenvereins lesen wir: „Bezüglich der Bergwacht kündigte die Section ihre Zugehörigkeit als Mitglied und erklärte ihren Austritt aus diesem Verband. Die Section ist sich selbst Manns genug, um in ihren Bergen für Ordnung zu sorgen wie auch der trefflich organisierte Rettungsdienst in treuer Arbeitsgemeinschaft mit den „Naturfreunden“ eine Einmischung der Bergwacht in unsere inneren Angelegenheiten von selbst erübrigt“. Für die Bergwacht war dies ein Affront, den sie nicht vergaß.

1924 wurde neben der Bergwacht auch der Gebirgsunfalldienst des Roten Kreuzes (GUD) in München gegründet. Das konkurrierende Nebeneinander von alpinem Rettungsdienst des DuOeAV, Bergwacht und jetzt auch Rotem Kreuz führte an verschiedenen Orten zu Problemen, nicht so sehr jedoch in Reichenhall. Der Ausschuss der AV-Sektion Reichenhall beschloss im Februar 1928 sich nicht in die ausgebrochenen Differenzen einzumischen, sondern es bei der bisherigen Gepflogenheit zu belassen, dass die alpine Rettungsstelle die Bergung Verunglückter vom Berge bis zu dessen Fuß  durchführt und den Verunglückten dann zur Weiterbeförderung der „Sanitätskolonne“ übergibt. Lediglich nach Eröffnung der Seilbahn auf den Predigtstuhl am 1. Juli 1928 gab es kurz Probleme, als die Sanitätskolonne Reichenhall im Winter im Hotel auf dem Predigtstuhl-Gipfel eine Sanitätswache eingerichtet hatte. Ende 1929 wurde jedoch für Reichenhall eine Klärung und Einigung im Sinne der alpinen Rettungsstelle erreicht. Erst im Oktober 1931 kam es zu einem Vertrag zwischen DuOeAV, Deutscher Bergwacht und dem Bayerischen Landesverband vom Roten Kreuz. Es wurde festgehalten, dass der alpine Rettungsdienst der alpinen Rettungsorganisation des DuOeAV obliegt, die übrigen Zuständigkeiten der einzelnen Verbände wurden geregelt.

Bald nach ihrer Gründung errichtete die Bergwacht im Hauptbahnhof München/Südbau eine „Alpine Auskunftsstelle“ und Unfallmeldestelle. Im Juni 1924 wurde die Bergwacht in München vom Hauptausschuss des DuOeAV  mit den Aufgaben einer Rettungsstelle München als sog. „Vorortshilfsstelle“ beauftragt. Als solche hatte sie Unfallmeldungen, die in München erstattet wurden, an die Rettungsstellen weiterzuleiten und im Bedarfsfall die Rettung oder Bergung Verunglückter und Vermisster mit Münchner Bergsteigern durchzuführen (im Extremfall reiste eine „Rettungsexpedition“ der Bergwacht 1936 nach dem Unfall in der Eiger-Nordwand von München an). Andererseits forderte der Hauptausschuss des DuOeAV im Oktober 1924 die Sektionen zum verstärkten Engagement in der Bergrettung auf.
Im Sommer 1925 übertrug der Alpenverein (DuOeAV) der Bergwacht in München das alpine Rettungswesen in Bayern als „Landesstelle Bayern für das alpine Rettungswesen des DuOeAV“. Während sich die alpine Rettungsstelle Reichenhall des Alpenvereins an selbständigen Organisationsstrukturen wie in Salzburg orientierte und auf Selbständigkeit bedacht war, unterstand sie jetzt plötzlich zumindest im Rettungswesen ausgerechnet München. Dabei wurden die alten Strukturen des früheren Alpinen Rettungsausschusses München erkennbar und wieder lebendig. Die Bergwacht hatte jetzt eine Doppelfunktion, sie war einerseits ein Organ des DuOeAV als Koordinierungsstelle für alle in der Bergrettung aktiven Vereinigungen, zum anderen war sie jedoch selber an der Bergrettung aktiv beteiligt und interessiert, drängte auf Ausweitung ihres Einflussgebietes. Und viele der Mitglieder des Centralausschusses des Alpenvereins waren gleichzeitig Mitglieder der Bergwacht, oder sympathisierten mit ihr.
Diese Problematik förderte den Entschluss Reichenhalls, im November 1925 aus der Bergwacht auszutreten und weiter als alpine Rettungsstelle des Alpenvereins tätig zu bleiben. Da sich Reichenhall von der Bergwacht in München zunehmend gegängelt und zu wenig unterstützt fühlte, strebte man eine Loslösung der Rettungssektion von der Bergwacht in München und die Neugründung einer „Landes-Rettungsstelle“ für den Chiemgau mit Salzburg an. Auch der Hauptausschuss des DuOeAV trat nach Meinung der Reichenhaller in den Streitigkeiten mehr als Unterstützer der Bergwacht auf, weniger als Unterstützer der Interessen seiner Alpenvereinssektion Reichenhall. Bedeutsam war auch, dass in der Alpenvereinssektion Reichenhall bislang eine Ortsgruppe Freilassing mit ca 90 Mitgliedern existierte, die am 30.12.1924 in Reichenhall austraten und eine eigene AV-Sektion Freilassing gründeten, die als solche ab 18.06.1925 Mitglied der Bergwacht-Abteilung Chiemgau wurden und zunehmend bestimmend wurden. Natürlich wünschten sie sich eine eigene Rettungsstelle (was Reichenhall ablehnte) und kamen mit ihren Bestrebungen und Aktivitäten gerade auf der Staufen-Nordseite der bestehenden Alpinen Rettungsstelle Reichenhall in die Quere.

Und so stärkte sich in Reichenhall  eine Abneigung gegen die „Bergwacht“, man blieb „Alpine Rettungsstelle der Alpenvereinssektion Bad Reichenhall“ und integrierte weiterhin die ehemaligen Mitglieder der Naturfreunde in Bad Reichenhall.

1939 wurde im Rahmen der Gleichschaltung der alpine Rettungsdienst neu organisiert.  Die „Bergwacht“ hieß jetzt „Deutsche Bergwacht im Deutschen Alpenverein, Landesführung Bayern e.V.“, bisherige alpine Rettungsstellen des Alpenvereins werden oder sollen zu Ortsstellen der Deutschen Bergwacht in DAV werden, Ludwig Gramminger betreibt energisch die Umstellung. Der Obmann der Alpinen Rettungsstelle Bad Reichenhall, Ludwig Kamml, wurde bereits im August 1939 zum Wehrdienst eingezogen, sein Vertreter Hermann Mühlböck übernahm automatisch die Position (6/1943 – 5/1944 Fritz Kamml). Am 15. November 1940 erfolgte auch in Reichenhall die Umstellung. Dafür dürfen die Reichenhaller ab Anfang 1942 auch den in Freilassing stehenden Geländewagen der Abteilung Chiemgau bei Einsätzen benutzen – zum Leidwesen der Führung in Freilassing.
Auch in den Kriegsjahren waren Bergrettungseinsätze erforderlich, durchgeführt von den Wenigen, die nicht im Kriegsdienst waren. Teils handelte es sich um Bergsteiger (auch während des Krieges!), teils handelte es sich um Suchaktionen bei beobachteten Flugzeugabschüssen mit -absturz. 1943 wurde in Reichenhall das Schifahren verboten, „Trotzdem“-Täter wurden gerichtlich belangt. Anfang 1944 wurde zusätzlich der „Alpennotdienst“ der Luftwaffe zur Rettung von durch Absprung oder Abschuss in Bergnot geratenen Flugzeugbesatzungen eingeführt – der zivile Bergrettungsdienst lief unabhängig davon weiter. Im April 1944 erfolgte die Umbenennung in „DAV-Bergrettungsdienst“, die Männer standen im militärischen Einsatz. Der DAV-Naturschutzdienst wurde abgegrenzt.

Nach dem Kriegsende 1945 wird das Bayerische Rote Kreuz mit der Durchführung des alpinen Sanitäts- und Rettungsdienstes beauftragt, die Dienstbezeichnung dieser Sonder­formation ist „Bergwacht“, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit vom übrigen Rot-Kreuz-Dienst ist deutlich (z.B. bis heute eigene Finanzhoheit). Organisatorisch werden die Berge in Bayern in Hochgebirgs- (Allgäu, Hochland, Chiemgau) und Mittelgebirgsabschnitte (Bayerwald, Fichtelgebirge, Frankenjura, Rhön) mit den jeweiligen lokalen Bergwachtbereitschaften eingeteilt (im Rahmen einer „Reform“ werden die „Abschnitte“ später zu „Regionen“).

April 1922 Bergung durch die „Naturfreunde“ auf der Reiteralpe (v.r.: Hermann Mühlböck, Ludwig Kamml, li: Fritz Kamml)

v.l.: Ludwig Kamml (Bereitschaftsleiter Bad Reichenhall), Ludwig Gramminger (damals verantwortlicher Inspekteur des Alpenvereins für bergsteigerische und alpin-rettungstechnische Ausbildung) und Helmut Schuster (Bereitschaftsleiter Berchtesgaden)

Die Leiter der jeweiligen „Bergwachtbereitschaften“ (Bergrettungsstationen) werden nun im Gegen­satz zu früher nicht mehr vom Alpenverein ernannt, sondern von den jeweiligen „Berg­wacht-Bereitschaften“ für die Dauer von 4 Jahren zum Bereitschaftsleiter gewählt:
2/1946 – 3/1952 Ludwig Kamml (Vertreter Josef Hienstorfer), 4/1952 – 5/1957 Karl Aletsee (Vertreter Ludwig Kamml), 6/1957 – 2/1981 Toni Michl (Vertreter Ludwig Kamml, ab 1969 Werner Thaler), 3/1981 – 1/1993 Holger Mayerl (Vertreter Werner Schoberth), 2/1993 – 1/2001 Werner Schoberth (Vertreter Helmut Lutz), 2/2001 – 1/2005 Bernhard Lauber (Vertreter Helmut Lutz), 2/2005 – 10/2008 Franz Schöndorfer (Vertreter Urs Strozynski), 2009 – 3/2011 Urs Strozynski (Vertreter Christian Schieder), seit 4/2011 Klaus Burger (Vertreter Christian Schieder).

In Österreich wurde nach 1945 der „Österreichische Bergrettungsdienst“ als eigenständige und unabhängige Organisation gegründet, der Naturschutzdienst blieb abgetrennt.

 

In den Nachkriegsjahren bildeten in Bad Reichenhall Einsätze auf der Reiteralpe und auf der Törl(Winkl-)abfahrt die Schwerpunkte, sie waren mit teilweise über 7 Stunden sehr zeitaufwändig. Eine Verbesserung erhoffte man sich durch den Bau einer Stützpunkt-Hütte auf der Törlschneid, sie wurde 1948 eingeweiht.

Bergung am Schrecksattel am 01.06.1911

Werbung für die Abfahrt vom Predigtstuhl nach Winkl

1957 konnte von der Bergwachtbereitschaft Bad Reichenhall ein VW-Bus als Einsatzfahrzeug beschafft und in einer Garage des Städtischen Gaswerkes abgestellt werden. Der in den Kriegsjahren übernommene Geländewagen wurde 1961 außer Betrieb gesetzt und verschrottet (er war zuletzt in einer Omnibus-Garage der Stadtwerke abgestellt). Das Material wurde ab 1961 in einem Kellerraum der Wohnbaugesellschaft am Spitzgrund gelagert, das Einsatzfahrzeug in einer angemieteten Garage an der Reichenbachstraße abgestellt. Sprechfunkgeräte wurde 1964 in Reichenhall eingeführt, sie waren allerdings noch relativ groß. In dem 1970 beschafften VW-Bus wurde von Peter Windstoßer ebenfalls ein Funkgerät eingebaut.
Mit der Einführung der Bayerischen Rettungsdienstgesetztes 1974 wurde u.a. auch die Finanzierung der Bergwachteinsätze durch die Krankenkassen gesichert.
1976 erfolgte der Umzug ins neu erbaute BRK-Haus an der Riedelstraße, es standen jetzt dort Einsatzraum, Garage und Versammlungs-Stüberl zur Verfügung – Grundlage bildete eine mündliche Absprache mit dem BRK-Kreisverband, ein schriftlicher Mietvertrag schien überflüssig und wurde daher nicht verfasst. Aktionen wie „Rette dein eigenes Leben“, Werbeaktion der Bergwacht in der Öffentlichkeit  und die Aktion des Hauptmann Dieter Köster „Soldaten helfen“ bringen das finanzielle Polster für die Ausstattung. Die Funkantenne befindet sich auf dem Dach der neuen Saline, sie ist über eine Telefon-Standleitung mit dem Einsatzraum verbunden.

Hubschrauber-Einsätze der Bergwacht Bad Reichenhall gab es bereits seit April 1960, anfangs nur mit einem in Salzburg stationierten Hubschrauber, ab 1970 auch mit der Bundeswehr, deren Hubschrauber (Bell UH 1D) bereits mit einer Winde ausgestattet waren. Das HTG 64 aus Penzing bei Landsberg führte mit den Bereitschaften ein regelmäßiges Windentraining ein und durch.

Im September 1976 wurde der Rettungshubschrauber „Christoph 14“ mit Standort Krankenhaus Traunstein in Betrieb gestellt, im November 1979 erfolgte die Eröffnung der Rettungsleitstelle Traunstein. Allerdings hatte der Traunsteiner Hubschrauber (BO 105) damals weder eine Winde, noch einen Lasthaken, die Zuladung musste am Boden erfolgen. Und so entwickelte sich bei Rettungseinsätzen im Gebirge oft ein Nebeneinander von Bundeswehr-Hubschrauber mit Winde (Bell UH 1D) zur primären Bergung und von RTH Ch 14 (BO 105) zum Abtransport. Hubschrauber der Bayerischen Polizei kamen ebenfalls zum Einsatz, wobei nur Maschinen wie BK 117 mit einer Winde ausgerüstet waren.
Ende der 1980er Jahre wurde der in Salzburg stationierte Hubschrauber mit einem Bergetau ausgerüstet. Die Bayerische Polizei übernahm Anfang der 1990er Jahre das Verfahren mit der BO 105, setzte die Standards und übte mit der Bergwacht. Erster Bergetau-Einsatz mit der Polizei war in Reichenhall bereits im Oktober 1995. Der Rettungshubschrauber Ch 14 (die Piloten sind Beamte des BGS, heute „Bundespolizei“) wurde im weiteren Verlauf ebenfalls mit einem Lasthaken ausgerüstet und führte das Bergetau ein. Erster Einsatz des RTH Ch 14 mit Bergetau war im Juli 1997 in Bad Reichenhall. Auch nach Umstellung der Polizei-Hubschrauber auf den Typ EC 135 erfolgte dessen erster Windeneinsatz überhaupt im August 1998 in Bad Reichenhall.
Im weiteren Verlauf wurde das erforderliche Training an den verschiedenen Hubschrauber-Typen für die Bergwacht immer schwieriger, weshalb die Bergwacht im November 2005 ein eigenes Simulations- und Trainingszentrum in Bad Tölz plante und jetzt auch betreibt. Konnte früher noch fast jeder Bergwachtler mit dem Hubschrauber eingesetzt werden, wurde heute mit dem „Flugretter“ ein Spezialistentum erforderlich.

„Frauen in der Bergwacht“ – das Thema wurde viele Jahre kontrovers diskutiert. Ausgelöst wurde es nach dem Wohnortwechsel einer Bergwachtlerin aus Baden Württemberg nach Bayern, die am neuen Wohnort ebenfalls in der Bergrettung tätig sein wollte. Ein Gericht musste sich mit dem Fall befassen. Im Chiemgau gab es Mitte der 1990er Jahre in Reit im Winkl die erste Bergwachtfrau, Altötting und Berchtesgaden folgten. In Reichenhall legte im August 2008 die erste Frau ihre Prüfungen in der Bergrettung ab, weitere folgten. In Reichenhall wurde das „Problemthema“ dadurch gelöst, dass zwei engagierte Bergwachtmänner Ende 2004 eine Jugendgruppe für Buben und Mädchen gründeten und leiteten – und damit wurden auch den Mädchen nach ihrem 18. Geburtstag Ausbildung und Dienst in der Bereitschaft möglich.

Die Grenzen des Einsatzgebietes der Bergwachtbereitschaft Bad Reichenhall wurden im März 1980 und zuletzt 2004 schriftlich fixiert. 2008 wurden sog. Einsatzleitbereiche definiert, für Reichenhall als Rettungswache „Einsatzleitbereich Saalachtal“, für den Einsatzleiter 2005 ein eigenes Fahrzeug (Jeep) beschafft. Die Umsetzung der neuen Struktur stieß jedoch nicht auf einhellige Zustimmung.
Seit dem Jubiläum „100 Jahre organisierte Bergrettung in Bad Reichenhall“ im Juni 2002 ist die Bergwachtbereitschaft Bad Reichenhall auch im Internet vertreten.

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